Tagebucheintrag aus der Sicht eines Reisenden, der in der Straßenstation "Auf Schiffels" übernachtet.



XIX. Kal. Mai.

Die Sonne versinkt wie ein glühender Feuerball am Horizont, malt den Himmel in ein atemberaubendes Farbenmeer aus Orange, Rot und Violett, als ich endlich

die Tore der Straßenstation „Auf Schiffels“ erreiche.

Erschöpft steige ich vom Pferd, jeder Knochen in meinem Körper schreit nach Ruhe.

Wochenlang bin ich nun schon auf den staubigen Pfaden Galliens unterwegs, die schier endlose Reise von Lugdunum nach Augusta Treverorum, dem heutigen Trier, hat mich an den Rand meiner Kräfte gebracht.

Doch heute gönne ich mir und meinem treuen Ross endlich eine Rast, hier in dieser Oase der Zivilisation inmitten der weiten, einsamen Hügellandschaft.

Schon von weitem drang das lebhafte Treiben der Raststätte an mein Ohr.

Das Lachen und Rufen der Reisenden vermischt sich mit dem Wiehern der Pferde und dem Gebell der Hunde.

Ein verlockender Duft von geröstetem Fleisch und frischem Brot liegt in der Luft und lässt mir das Wasser im Munde zusammenlaufen.

Mein Magen knurrt lauter als die Hunde, die in den Ställen der Station angekettet sind und ungeduldig auf ihre Fütterung warten.

Der Wirt, ein stämmiger Mann mit einem von Wind und Wetter gegerbten Gesicht, begrüßt mich mit einem herzlichen Lächeln.

"Grüß Gott in 'Auf Schiffels', Reisender!

Seid Ihr müde von der Reise? Hungrig? Durstig? Sagt, was Euer Herz begehrt!"

"Ein Zimmer für die Nacht und ein kräftiges Mahl", antworte ich, während ich mühsam vom Pferd steige und meine steifen Glieder strecke. "Und etwas Futter für mein Pferd, wenn ich bitten darf. Er hat sich ebenso wie ich eine kräftige Portion verdient."

Der Wirt nickt verständnisvoll. "Natürlich, Reisender. Folgt mir!"

Er führt mich durch einen gewölbten Torbogen in einen Innenhof, wo sich um einen Brunnen herum verschiedene Gebäude gruppieren.

Wir betreten ein langgestrecktes Haus, in dem sich die Gästezimmer befinden.

Er öffnet die Tür zu einem kleinen, aber sauberen Raum mit einem Strohsack, dicken Wolldecken und einem Nachttopf in der Ecke. "Hier könnt Ihr Euch ausruhen. Das Essen wird in kürze in der Gaststube serviert."

Ich wasche mir das Gesicht und die Hände im kühlen Brunnenwasser und betrachte neugierig das bunte Treiben im Hof.

Händler packen ihre Waren aus, feilschen lautstark um die Preise. Sklaven eilen mit gefüllten Wassereimern und dampfenden Speisen umher. Kinder tollen lachend zwischen den Beinen der Reisenden und jagen den Hunden nach.

Wenig später sitze ich an einem groben Holztisch in der Gaststube, die von flackernden Fackeln erleuchtet wird und wirft tänzelnde Schatten an die Wände.

Gierig lasse ich mir einen dampfenden Eintopf mit Gerstenbrei, Gemüse und deftigen Würsten schmecken. Der Wein, den der Wirt mir empfiehlt, ist zwar etwas herb, aber er wärmt von innen und lässt die Strapazen der Reise vergessen.

Die Gaststube ist bis auf den letzten Platz gefüllt mit Reisenden aus allen Teilen des Reiches. Ich höre die verschiedensten Sprachen und Dialekte: das melodische Latein der gebildeten Römer, das raue Gälisch der Händler aus dem Norden, das geschliffene Griechisch eines Gelehrten, der in einer Ecke sitzt und in einer Schriftrolle liest.

An einem Tisch sitzen Soldaten mit ihren glänzenden Rüstungen und erzählen sich lauthals Geschichten von ihren Feldzügen.

An einem anderen Tisch unterhalten sich Händler über die Preise ihrer Waren, während sie ihre Beutel mit Münzen zählen.

Ich komme mit einem alten Legionär ins Gespräch, der mit seinen Kameraden auf dem Weg nach Germanien ist, um dort die Grenzen des Reiches zu verteidigen.

Er erzählt mir mit leuchtenden Augen von seinen Feldzügen in Britannien und den Kämpfen gegen die wilden Pikten.

Seine Narben zeugen von den vielen Schlachten, die er geschlagen hat.

Ein anderer Reisender, ein Gelehrter auf dem Weg nach Rom, diskutiert mit mir über die Philosophie des Seneca und die Redekunst Ciceros.

Er trägt eine Toga und spricht mit einer gewissen Arroganz, aber ich merke schnell, dass er ein gebildeter und interessanter Mann ist.

Die Stunden vergehen wie im Flug. Ich trinke noch einen Schluck Wein, lausche den Geschichten der anderen Gäste und genieße die gemütliche Atmosphäre der Gaststube.

Draußen ist es mittlerweile stockdunkel geworden, nur die Sterne funkeln am Himmel und der Mond wirft lange Schatten auf den Hof.

Morgen früh werde ich meinen Weg fortsetzen, aber für heute Nacht bin ich dankbar für die warme Stube, das volle Mahl und die interessante Gesellschaft.

Wer weiß, welche Abenteuer mich auf meiner weiteren Reise noch erwarten?

Vielleicht werde ich in Augusta Treverorum neue Bekanntschaften machen, Handel treiben oder sogar eine Audienz beim Statthalter erhalten.

Die Zukunft liegt vor mir wie eine unbeschriebene Schriftrolle, voller Möglichkeiten und Ungewissheiten.


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