die Mauern der Villa Borg




Die Sonne tauchte die Weinberge am Leukbach in goldenes Licht und wärmte die Mauern der Villa Borg, einst Wohnsitz des wohlhabenden Weingutbesitzers Caius Valerius Secundus.

Doch Bettia Birkenhagen, die die Villa nach dem Tod ihres Mannes, eines Freigelassenen von Secundus, verwaltete, war besorgt.

Ihr Neffe Decimus, benannt nach dem berühmten Feldherrn Decimus Junius Brutus Albinus, war vor Wochen mit Secundus' Handelsschiff "Mosella" flussabwärts Richtung Trier aufgebrochen, um eine Ladung Amphoren mit dem berühmten "Vinum Paelignum" zu verkaufen.

Doch die "Mosella" war überfällig, und Bettia fürchtete um Decimus' Schicksal.

Eines Abends, als Bettia im Triclinium der Villa saß und unruhig den tanzenden Flammen im Herdfeuer zusah, hörte sie ein Klopfen. Vor dem Eingang stand ein alter Mann, in einen abgetragenen Reisemantel gehüllt. "Bettia Birkenhagen", sagte er mit heiserer Stimme, "ich bringe Kunde von deinem Neffen."

Bettia sprang auf. "Wo ist Decimus? Ist er wohlauf?"

"Geduld, Bettia Birkenhagen", sagte der Alte. "Dein Neffe lebt, doch er ist in Gefahr. Die 'Mosella' ist 'Auf Schiffels', nahe der Straßenstation, auf Grund gelaufen und gesunken. Decimus konnte sich ans Ufer retten, doch er wurde von Räubern gefangen genommen, die ihn versklaven wollen."

Bettia war verzweifelt. "Was kann ich tun? Wie kann ich Decimus retten?"

Der Alte lächelte geheimnisvoll. "Es gibt einen Weg, Bettia Birkenhagen. Aber der Weg ist gefährlich und führt in die Vergangenheit."

Er beugte sich vor und flüsterte: "Suche den Mann mit dem Bronzering. Er allein kann dir den Weg zu deinem Neffen weisen."

Mit diesen Worten verschwand der Alte. Bettia blieb zurück, voller Ungewissheit und Angst. Wer war der Mann mit dem Goldzahn und dem Bronzering? Und wo sollte sie ihn finden?

Am nächsten Morgen machte sich Bettia auf die Suche.

Sie durchkämmte die Umgebung der Villa, befragte die Bauern auf den Feldern und die Händler an der Straßenstation "Auf Schiffels".

Niemand hatte je von einem Mann mit einem Bronzering gehört. Schließlich, erschöpft und entmutigt, kehrte sie zur Villa zurück.

Dort erwartete sie eine Überraschung. Im Atrium der Villa, zwischen den Säulen, stand ein Mann. Er trug eine einfache Tunika und einen Bronzering am Finger. Es war der Mann aus ihrem Traum.

"Bettia Birkenhagen", sagte er, "du hast mich gesucht. Ich bin hier, um dir zu helfen."

"Wer bist du?", fragte Bettia verwundert.

"Ich bin Viator, der Hüter der Wege", antwortete der Mann. "Ich kenne die Pfade, die durch die Zeit führen."

"Kannst du mich zu meinem Neffen führen?", flehte Bettia.

Viator nickte. "Folge mir."

Er führte sie durch einen verborgenen Gang in den Kellern der Villa. Am Ende des Ganges befand sich eine Tür, die Bettia noch nie bemerkt hatte. Viator öffnete sie, und dahinter erstreckte sich ein dunkler Tunnel.

Sie stiegen hinab, immer tiefer in die Dunkelheit. Endlich erreichten sie einen großen Raum, erleuchtet von Fackeln.

In der Mitte des Raumes befand sich ein Brunnen. "Dies ist der Brunnen der Zeit", sagte Viator. "Sein Wasser kann dich in die Vergangenheit führen."

Er schöpfte Wasser aus dem Brunnen und gab es Bettia zu trinken. Als Bettia das Wasser trank, fühlte sie sich schwindelig.

Die Umgebung verschwamm vor ihren Augen, und als sie wieder klar sehen konnte, befand sie sich an der Straßenstation "Auf Schiffels" - aber nicht in ihrer Zeit, sondern in der Vergangenheit, zur Zeit der Römer!

Viator erklärte ihr, dass sie sich nun in der Zeit befand, als Decimus an dieser Stelle gefangen genommen wurde. Gemeinsam machten sie sich auf die Suche nach den Räubern. Sie fanden sie in einer verfallenen Hütte am Waldrand. Mit Viators Hilfe gelang es Bettia, die Räuber zu überwältigen und Decimus zu befreien.

Bevor sie durch den Brunnen der Zeit in ihre eigene Zeit zurückkehrten, zeigte Viator Bettia noch das Skelett des Mannes, der in römischer Zeit nahe Gebäude 3 ermordet worden war.

"Er war ein Opfer der Räuber", erklärte Viator. "Sie haben ihn ausgeraubt und seine Leiche verscharrt."

Zurück in ihrer eigenen Zeit, erzählte Bettia niemandem von ihrer Reise in die Vergangenheit.

Aber sie wusste nun, dass die Geschichte der Villa Borg voller Geheimnisse war, und dass die Vergangenheit manchmal näher ist, als man denkt.

Und jedes Mal, wenn sie durch das Atrium der Villa ging, erinnerte sie sich an den Mann mit dem Bronzering, der ihr geholfen hatte, ihren Neffen zu retten.


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